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Offener Brief der Bürgerinitiative „Verkehrswende Mühldorf“

zum Siegerentwurf des städtebaulichen Ideenwettbewerbs der Stadt Mühldorf am Inn zur Neugestaltung des Inn-Stadt-Parks (ehemaliges SüMö-Gelände) im Mühldorfer Stadtzentrum

Die Stadt Mühldorf hat am 29.01.2022 das Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs vorgestellt und anschließend die verschiedenen Entwürfe im Haberkasten der Öffentlichkeit präsentiert. Zu diesem Wettbewerb, insbesondere dem Siegerentwurf, nehmen wir wie folgt Stellung:

1. Die Auslobung

Obwohl die Auslobung mehrere sinnvolle Ziele formuliert (z.B. Verkehrsentlastung der Altstadt, Unterstützung von Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV, Stärkung von Grünverbindungen, insb. zum Inn, verbesserte Aufenthaltsqualität, Freizeitmöglichkeiten, klimaangepasste Bauweise usw.), ist sie von vornherein mit einigen grundsätzlichen Mängeln behaftet: 

1) Es wird darin eine Zielgröße von 530 zusätzlichen Parkplätzen formuliert, jedoch fehlt jegliche seriöse Bestandsaufnahme des tatsächlichen Parkraumbedarfs. Eine von uns am Zentralparkplatz Innstadtpark über einen Zeitraum von zwei Wochen im Herbst 2021 (vor der Einführung von Corona-Beschränkungen) durchgeführte Zählung ergab, dass selbst an Markttagen fast 20% der Parkplätze frei waren.  https://verkehrswende-muehldorf.de/news/parkplatzzaehlung-am-inn-stadt-park/ !

Die Einrichtung neuer Parkplätze auf dem Gelände ist unseres Erachtens allenfalls in dem Maße gerechtfertigt, wie Parkplatze am Stadtplatz und in den Gassen der Innenstadt wegfallen. Hierfür fehlt jedoch eine klare Zielsetzung.

2) Es fehlt ein grundlegendes Verkehrskonzept für die Stadt Mühldorf, das klare Ziele für die zukünftigen Anteile der einzelnen Verkehrsträger festlegt und Maßnahmen aufzeigt, wie der Öffentliche Nahverkehr, der Rad- und Fußverkehr zukünftig gestärkt werden können.

3) Die geplante Verlagerung des Hallenbades aus der Altstadt in die Nähe des Freibads sehen wir äußerst kritisch, da sich dadurch der Zugang für die meisten Nutzergruppen stark verschlechtert (ÖPNV-Anbindung, Erschließung für Radfahrende und Fußgänger/innen, Schulbusse…). Der zu erwartende Zubringerverkehr würde die Ahamerstraße und ihre Anwohner total überlasten. Es müssten zusätzliche Parkflächen geschaffen werden (Versiegelung!).

2. Der Siegerentwurf

Es ist uns völlig unverständlich, warum ausgerechnet der Entwurf der Firma Burghauser Ama Architektenbüro und Partner zum Sieger erkoren wurde, da dieser Entwurf eine Vielzahl der in der Auslobung genannten Ziele in keiner Weise erfüllt. Wir sehen vor allem folgende Defizite:

  • In der Planung finden sich keine „Alternativen Mobilitätskonzepte“ (z. B. autofreies Wohnen). Man könnte in den Planungen auch das Vorhaben berücksichtigen, den Stadtplatz autofrei zu gestalten. Die Anbindung des neuen Quartiers an den ÖPNV ist leider nicht Gegenstand der Planung, ebenso wenig die Führung des Fahrrad – Verkehrs. 
  • Die Anbindung des Quartiers an den Inn als Naherholungsgebiet ist nicht geklärt (im Gegensatz zu anderen Entwürfen, die hier kreative Lösungen anbieten). Das Schicksal der Kirschbaumallee steht in Frage.
  • Die Planungen bedeuten eine maximale Flächenversiegelung ohne Schaffung von Ausgleichsflächen. Die damit verbundene Veränderung des Mikroklimas wurde nicht berücksichtigt (verminderte Frischluftzufuhr vom Inn, Temperaturerhöhung durch Aufheizung von Gebäuden und versiegelten Flächen, Wegfall von kühlenden Elementen wie Baumbestand und Grünflächen).
  • Durch die drei fünfstöckigen (!) Parkhäuser wird sich das Stadtbild massiv zum Schlechteren verändern. Die Zahl der darin vorgesehenen zusätzlichen Parkplätze übersteigt mit mehr als 800 die in der Auslobung genannte Mindestanzahl von 530 (die wir bereits für überzogen halten) noch erheblich. Angesichts einer unprofessionellen Bedarfserhebung besteht die Gefahr, dass mit Steuergeldern eine ungenutzte Investitionsruine entsteht. In jedem Fall werden zusätzliche Parkplätze zusätzlichen Autoverkehr anziehen – dies steht im Gegensatz zu sämtlichen klima- und verkehrspolitischen Zielsetzungen. 
  • Das Gelände wird so stark verdichtet, dass für eine mögliche Erweiterung der Grundschule kein Platz bleibt.
  • Durch die extensive Wohnbebauung wird die Parkanlage so klein (im Grunde ist es nur noch ein Grünstreifen), dass sie – u.a. aus Lärmschutzgründen – für nichts anderes mehr nutzbar ist. Freizeitmöglichkeiten wie z.B. ein Skaterpark, eine Bühne oder ein Beachvolleyball-Feld werden damit von vornherein verhindert. 
  • Die geplanten Stadtvillen am Grünstreifen entlang der Luitpoldallee werden „hochwertiger“ Wohnraum für begüterte Bürger. Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen und eingeschränkter Mobilität werden nicht geschaffen. 
  • Der geplante Supermarkt erscheint in seiner Funktion als Nahversorger überdimensioniert. Gibt es hierzu eine Bedarfserhebung?

Insgesamt wird durch diese Planungen die Attraktivität für Bewohner und Besucher Mühldorfs nicht erhöht (eher im Gegenteil), und damit werden keine zusätzlichen Käufer an den Stadtplatz gelockt.

Grundsätzlich erscheint uns der Entwurf vollkommen unzeitgemäß: Angesichts der sich anbahnenden Klimakatastrophe kann das Ziel einer Neuplanung des Geländes doch nur darin bestehen, weniger motorisierten Individualverkehr zuzulassen und nicht noch mehr. Die Zeichen der Zeit stehen nicht auf „Weiter so“. Die Vorstellung, dass dem Bürger nichts zugemutet werden darf, führt unweigerlich zu Zumutungen ganz anderer Art und Dimension.

Ohne ein Verkehrskonzept, das unter anderem das Ziel hat, den Stadtplatz autofrei zu gestalten und Alternativen zum Auto anzubieten, macht eine Planung des Innstadtparks keinen Sinn.

3. Schlussfolgerungen

Wir fordern hiermit den Mühldorfer Stadtrat, den Bürgermeister und die Stadtverwaltung auf, 

  • den Siegerentwurf aus den o.g. Gründen nicht zur Grundlage für die weiteren Planungen zu machen,
  • vor einer neuen, verbesserten Planung eine professionelle Bedarfserhebung für den zukünftigen Parkplatzbedarf durchzuführen,
  • schnellstmöglich ein Parkleitsystem einzuführen, um unnötigen Parksuchverkehr zu verhindern,
  • das Ziel eines autofreien Stadtplatzes klar zu formulieren und ein alternatives Verkehrskonzept zu entwickeln, um umweltfreundliche Mobilitätsformen zu stärken,
  • ein neues Konzept zu entwickeln, wie der Volksfestplatz als Parkraum genutzt und durch einen regelmäßigen Shuttleservice an die Altstadt angebunden werde kann, z.B. mit autonom fahrenden Kleinbussen,
  • in einer neuen Planung den Zielen der Naturnähe, Naherholung und Freizeitgestaltung, größeres Gewicht einzuräumen und
  • die Bürgerinnen und Bürger sowie die Schulleitung der Grundschule an einer neuen Planung zu beteiligen.

Mühldorf, den 02.03.2022

Bürgerinitiative „Verkehrswende Mühldorf“

www.verkehrswende-muehldorf.de

kontakt@verkehrswende-muehldorf.de

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